Greckenschloss, Lindenweg 2

 

Das von Wolf Conrad II. Greck von Kochendorf und seiner Gattin Benedicta von 1600 bis 1602 erbaute prachtvolle Renaissanceschloss gelangte später in den Besitz des Württembergischen Staates. 1829 ging es teilweise in jüdischen Besitz über: das repräsentative obere Schloss erwarb der Handelsmann Löw Lämmle, der zuvor schon kurzzeitig einer der beiden Besitzer des St. Andréschen Schlösschens gewesen war, das an die Kocheraue angrenzt. Mit dem Schlosserwerb manifestierte sich der wirtschaftliche und soziale Aufstieg zumindest eines Teils der jüdischen Einwohnerschaft, die oft in den eher als ärmlich anzusehenden Vierteln um die drei Dorftore wohnte. Louis Lämmle Levi, ein Sohn des Schlosskäufers, erlangte 1876 einen Sitz im Gemeinderat des Marktortes, den er bis zu seinem Tod 1892 innehatte. Schon in jungen Jahren zusammen mit seinem Bruder Daniel in den Vieh-, Frucht-, Raps, Woll- und Mohnsamenhandel seines Vaters einbezogen, gründeten die Brüder Levi 1857 zusammen mit einem später ausgeschiedenen Teilhaber eine Zigarrenfabrik, die im Greckenschloss bspw. 1864 mit 21 männlichen und 37 weiblichen Arbeitskräften etwa 3 Millionen Zigarren produzierte. Wohl um einen Umsatzrückgang auszugleichen waren die Brüder lange vor der Verlagerung der Fabrikation an acht in Heimarbeit Beschäftigte 1877 in den Branntweinhandel eingestiegen. Dieser mündete 1887 in einer Likörfabrik, die bis 1894 betrieben wurde. Bevor das obere Schloss von den Levi-Erben, dem Heilbronner Papierfabrikantenehepaar Haas, an die Gemeinde Kochendorf verkauft wurde, beherbergte es von 1892 bis 1909 darüber hinaus die Schürzenfabrik der jüdischen Familie Maier.

Doch wie hatte alles begonnen? Bereits im ausgehenden 16. Jahrhundert traten jüdische Einwohner des reichsritterschaftlichen Kochendorf im Kleider- und Lederhandel sowie im Geldverleih im benachbarten Wimpfen auf: Isaak und Esaias von Kochendorf. Seit dem 17. Jh. sind die Handelstätigkeiten jüdischer Kochendorfer in den Gebieten des Deutschen Ordens und von Kur-Mainz belegt und ihr Viehhandel sowie Waren-Termingeschäfte bezeugt. Seit 1787 vertrieb Isaak Moses von Kochendorf fünf Jahre lang Mergentheimer Fabrikwaren in den Ortschaften des Oberamts Horneck und in den Franzosenkriegen des ausgehenden 18. Jhs. betätigten sich Kochendorfer Juden als Heereslieferanten. Zu Beginn des 19. Jhs. war die örtliche Ölmühle kurzzeitig in jüdischem Besitz und 1808 berichtete der Kochendorfer Schultheiß, dass sich die jüdische Bevölkerung ihren Lebensunterhalt mit Vieh-, Frucht-, Altkleider- und Alteisenhandel verdiente und einige wenige Tuchhandel, Metzgerei und Weinausschank für ihre Glaubensgenossen betrieben. 1818 wurde zusätzlich noch ein Seifensieder aufgelistet. Nach der 1828 für die württembergischen Juden erfolgten Aufhebung jeglicher Berufsschranken kamen Bäcker, Schneider, Gerber und Bauern hinzu. Die Gewerberegister weisen zahlreiche Handelsleute bzw. Kleinhändler aus. 1854 vergab der Kochendorfer Israelitische Frauen-Verein einen Kredit und wer in der 2. Hälfte des 19. Jhs. Kleider, Tuchstoffe oder Kurzwaren benötigte, konnte seinen Bedarf u.a. bei dem schon 1829 bestehenden Geschäft von M.J. Eisig & Sohn oder seit 1856 auch bei Salomo Salomon und später dessen Witwe decken. Eisenwaren aller Art wie Reifen, Wagenachsen, Herde, Kochgeschirr, oder auch Pflüge, Nägel, Ketten und Schaufeln sowie Baustoffe bot Louis Weissburger 1895 in seinem florierenden Laden an, den er bei seinem Wegzug nach Stuttgart 1921/22 verkaufte. Zusätzlich zu den Produkten aus Metall vertrieb Herrmann Herz jun. Tabak und Zigarren, Branntwein, Petroleum und Bürsten. Schnupftabak, Anisbrot und Zucker, aber auch Lampenöl gab es von 1863 bis 1875 bei Lazarus Herz zu kaufen, der gleichzeitig mit Vieh, Frucht, Raps und Wolle handelte und mehrere Jahre auch Gläser und Porzellan vertrieb. Seit 1867 verkaufte Leopold Herz Mehl und andere landwirtschaftliche Produkte und nach ihm Jakob Herz, der 1942 in Theresienstadt umgebracht wurde. Leder, Schuhsohlen und Pelze gab es ab 1862 bei Weißgerber David Kahn, dessen um den Wollhandel vermehrtes Geschäft noch 1902 bestand. (Simon M. Haag)